Gut & Böse

Um herauszufinden, ob man selbst ein böser Mensch ist, muss man zu ekligen Dingen bereit sein. Das ist ungefähr so, als würde man sich den Hintern mit der eigenen Brille abwischen und sie dann wieder aufsetzen. Die Kacke, die man dann sieht, ist die eigene.

Dazu sind die wenigsten Menschen bereit. Sie sind aber seltsamerweise bereit, sich die Brille am Arsch eines anderen abzuwischen und nur dessen Kot zu sehen. Das ist im Übrigen schon der erste Schritt. Denn der dies tut, ist bereits ein kleines bisschen böse.

Fangen wir mal mit den Dinosauriern an. Vielleicht kam ja mit ihnen das Böse in die Welt? Der brave Triceratops kaute nur Gemüse, und war ein liebes Tier. Dann kam der gemeine T-Rex und machte ihn tot. Das war wirklich böse. Nur: hätte der Triceratops zuviel von dem Gemüse gefressen, wäre das ganze Grünzeugs weg gewesen, und damit einige extrem wichtige biochemische Prozesse, die das Leben überhaupt erst ermöglichen. Insofern brauchte es also den fiesen T-Rex, um dafür zu sorgen, dass ebendiese Prozesse weiterhin garantiert sind.

Nun hatte der T-Rex aber ein Gehirn von der Größe einer Walnuss. Und da war auch nicht viel drin los. Er brauchte schon gute 90% seiner Rechenkapazität, um seinen ausgeklügelt unpraktischen Körperbau unter Kontrolle zu halten. Jetzt stellen wir uns mal vor, der T-Rex hätte ein deutlich größeres Gehirn gehabt. Ungefähr so groß, wie das unsere. Und er hätte jetzt begonnen, Tricetratopse zu züchten und maschinell zu töten. Aber nicht nur Tricetratopse sondern auch alle anderen T-Rexe, die ihm die Triceratopszucht streitig machen wollten. Das wäre schlimm gewesen. Schon schlimm genug, dass ein Mensch sowas tut, aber ein T-Rex? Stellt euch die Schlacht von Hastings mal mit einer Armee von T-Rexen vor. Von Britannien wäre nicht mehr viel übrig geblieben. Es war also geschickt von der Natur, diesen evolutionären Vorteil einem kleinen Säuger zu gewähren, und keineswegs einem mächtigen Dino.

Aber was ist nun „böse“? Um das herauszufinden, müssen wir tatsächlich beim T-Rex beginnen, bzw. jedem anderen Vertreter einer Raubtierspezies. Raubtiere leben davon, andere Tiere zu fressen. Für ein Raubtier wäre es auch unmöglich, auf vegetarische Kost umzusteigen, denn oft ist der gesamte Verdauungstrakt inklusive Gebiss nicht auf die Verwertung pflanzlicher Nahrung ausgelegt. Wenn Raubtiere andere Tiere töten, erleiden diese dabei Schmerz – das ist unvermeidbar, es sei denn die Natur wollte auf das Konzept des Schmerzes verzichten. Dies wiederum hätte zur Folge, dass ein Tier sich bei Verletzungen nicht schonen würde, eine höhere Sterberate wäre dann die Konsequenz, und damit das Ende auch der Raubtierpopulationen. Wie man es also dreht und wendet, es kommt immer ein Verlierer dabei heraus, in diesem Falle leider das Beutetier. Wer dieses Prinzip verurteilt, der kritisiert das Leben an sich.

Die Frage war aber: wie kann man selbst für sich herausfinden, ob man böse ist? Anhand des Raubtierbeispiels können wir zumindest konstatieren, dass diese Verhaltensweise nicht böse ist. Auch wenn der Mensch es fraglos übertreibt, aber wirklich böse ist das nicht. Wäre es denn böse, sich gegen die eigene Spezies zu wenden? Das tun Raubtiere auch, vor allem wenn es um territoriale Rivalitäten geht. Und das ist der Natur sogar nützlich, denn so halten sich die Raubtiere gegenseitig in Schach und nehmen nicht überhand. Böse kann also nur sein, was für das gesamte Konzept der Natur so gefährlich ist, dass es das Ende des Lebens an sich bedeuten könnte. Das wäre – zumindest aus der Sicht des Lebens – wirklich böse.

Tut das der Mensch? Viele würden sagen: ja. Er beutet diesen Planeten so rücksichtslos aus, dass ein Kollaps immer näher rückt. Rein sachlich betrachtet ist das aber Unsinn. Selbst wenn der Mensch seinen Kreditrahmen völlig überzieht, sogar eine weltweite nukleare Katastrophe auslösen würde, so schadet er damit eigentlich nur sich selbst. Sicher, eine Menge Leben ginge dabei drauf, auch nichtmenschliches, aber das Leben selbst ausrotten würde das nicht. Es ginge in jedem Fall auch gut ohne uns weiter. Insofern ist die Frage also leicht zu beantworten: nein, der Mensch ist nicht wirklich böse. Er hat aber ein Talent dafür, sich selbst gewaltig auf die Nerven zu gehen.

Flaussig: Wissdorf!

Wissdorf: Ja?

Flaussig: Was redest du da wieder für eine Scheiße?

Wissdorf: Warum?

Flaussig: Also einen anderen Menschen umzubringen ist dann streng genommen nicht wirklich böse?

Wissdorf: Zumindest theoretisch nicht, je nachdem ab wann man etwas als böse bezeichnet.

Flaussig: Papperlapapp, wenn ich dir jetzt mit diesem Baseballschläger voll auf die Rübe haue, bin ich also nicht böse?

Wissdorf: Moment. Das kann man so nicht sagen!

Flaussig: Wie kann man es dann sagen?

Wissdorf: Baseballschläger sind böse.

Autor: Rael Wissdorf, Copyright (22.05.2014), alle Rechte vorbehalten.
Erstveröffentlichung 22.05.2014