Textprobe Hiob

HIOB 3. AKT, 1. Szene, 4. Set:  Die Leiden des Hiob

(Man sieht ein Trümmerfeld, als hätte ein Bombenangriff auf Hannover stattgefunden. Überall liegen grau bemalte Styroporbrocken herum. Tragisch-Elegische Musik vom Band)

HIOB.             (kommt von links auf die Bühne gekrochen. Er trägt zerfetzte Lumpen. In der Mitte der Bühne bleibt er in der Hocke sitzen und pult sich am Arm herum. Einige Fetzen fallen zu Boden.) Schau an, ein neues Geschwür. Das war gestern noch nicht da. Wie das wohl heissen mag? Igitt, wie das eitert, ich glaub ich muss nochmal kotzen..(Kotzt). Er schabt sich mit einer Scherbe.

HIOB.             Wie diese grässlichen Ekzeme jucken! Ein Glück, daß ich diese Glasscherbe gefunden hab! Vor einem Mülleimer hat sie gelegen. (träumerisch) War sogar noch’n bisschen Tomatensosse dran… (Er beginnt wieder sich zu schaben. Plötzlich Schreit er auf und sieht, daß er sich geschnitten hat). Aua! Verdammt! (monoton vor sich hin) Hätt ich mich entscheiden können, so wär ich lieber ein Amtmann geworden, als von solcher Höhe in die Tiefen des Jammers abzustürzen. Groß war ich einst, oh ja.So aber, hat sich Schrecken gegen mich gekehrt und meine schöne Zeit verjagt. Wie eine Wolke ist mein Glück vorbeigezogen. Ich war Hiob, der Hüter der Sitten und der Ordnung. Ich war mir selbst ein Wohlgefallen und das Auge des Herrn ruhte voller Wohlwollen auf meinen Taten.Jetzt sickert meine Seele wie fauliges Gallert aus jeder Ritze dieses morschen Leibes. Des Nachts bohrt es in meinem Gebein, denn die Schmerzen, die an mir nagen, schlafen nicht.

Ich schreie zu Dir, aber Du antwortest mir nicht; (schreit.) Was hab ich falsch gemacht?! Hab ich nicht wie kein Zweiter die Opfer dargebracht, all deine Gebote stets beachtet, nie ein Unrecht geduldet und nie falsches Zeugnis gesprochen!? (Wieder ruhiger) Du hebst mich auf wie ein welkes Blatt und lässt mich im Winde dahinfahren und vergehen im Sturm. Seit ich dieses Leben führe, weiß ich, daß es Leichen gibt, die in der Erde ruhen und solche, die herumlaufen, wie ich. Der Erde näher, als dem Himmel.

Harte Schritte nähern sich. Lucie kommt von rechts. Sie trägt Krankenschwestern Outfit, gewürzt mit weißen halterlosen Nylons und Pumps

LUCIE.           (Leise) Ahem..

HIOB:             Hä?

LUCIE.           Schmerz oder Schmerzfrei, das ist hier die Frage. Ob’s edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern eines wütenden Geschicks erdulden oder sich waffnend gegen eine See von Plagen durch die pharmazeutische Arznei sie enden. (sie öffnet den Koffer und reicht Hiob eine Medikamentenpackung).

HIOB:                         (liest) Betablocker…

LUCIE.           Schlafen – schlafen. Und zu wissen, daß ein solcher Schlaf das Herzweh und die tausend Schmerzen endet..

HIOB:             (müde und verträumt) Schlafen? Oh Ja. Das wär‘ nicht schlecht. Schlafen.

Leicht schlurfende Schritte nähern sich. Gabriel tritt auf, in Sakko und Jeans.

GABRIEL.     Moment Kollege, so einfach machen wir uns das aber nicht! Was haben wir denn da?

LUCIE.           Was erlauben Sie sich eigentlich!?

GABRIEL.     Aha. Balium+, ein Pferdeblocker. Ja ist der Mann denn schwer herzkrank, daß er das braucht?

LUCIE.           Na und ob – fragen Sie ihn doch selbst!

HIOB:                         Es rast, als wollt‘ es Pferde überholen. Und manchmal setzt es aus, das Herz, als sollt‘ ich hinübergehen, in das Reich – von Zerberus bewacht.

LUCIE.           Na sehen Sie. Massive Arrhythmien. Da sind Betablocker genau das richtige!

GABRIEL.     Und das haben Sie so aus der Ferne mal so diagnostiziert? Sie haben den Mann doch noch gar nicht untersucht!

LUCIE.           Ist auch nicht nötig! Die Brüder haben sowieso alle immer nur die gleichen Leiden! Erkrankungen der Koronarien, Gefäßverengungen oder Krebs jedweder Art! Da helfen nur äußerst wirksame Arzneien.

GABRIEL.     Und was ist mit den Heilkräften der Natur?

LUCIE.           Oh – ich würde eher eine Chemotherapie empfehlen. Das ist zwar ’ne Roßkur, aber wenn er die überlebt, sind sämtliche Krankheitserreger übern Jordan.

GABRIEL.     Und die Nebenwirkungen? Gegen die habt ihr dann ja bestimmt auch wieder was, oder?

LUCIE.           Nebenwirkungen? Sieht der so aus, als würde er die überhaupt noch bemerken in seinem Zustand? Der ist mehr tot, als lebendig und Sie regen sich hier über Nebenwirkungen auf.

GABRIEL.     (Der folgende Dialog wird in lautem Flüsterton gehalten) Jetzt reichts. Lucie – ich hab dich längst erkannt. Was hast du hier zu suchen, was mischst du dich ein?

LUCIE.           Ich? Wieso ich? Ich hab von Jahwe Carte Blanche. Das hier ist meine ureigenste Angelegenheit. Schließlich ist die Bedingung, daß er am Leben bleiben muß. Dafür sorge ich.

GABRIEL.     Verdammte Heuchlerin. Du weißt sehr gut, daß dein Teufelszeug ihn erst recht umbringt. Und dann glaubt er, daß er auch das dem Herrn zu verdanken hat.

LUCIE.           Was heißt hier „auch das?“. Er hat ihm Alles zu verdanken, denn schließlich hat Jahwe zu der ganzen Sache sein Okay gegeben. Überhaupt – was machst du eigentlich hier? Warum schickt er einen Lakaien? Damit dem guten Hiob ein wenig unter die Arme gegriffen wird, damit er nicht zu sehr leiden muß und deshalb die Wette wieder gewonnen wird? Nix da! Runter von der Bühne, das hier ist mein Part!

(Hiob, der während des Disputs versucht hat zu beiden etwas zu sagen, winkt ab und kriecht von der Bühne)

GABRIEL.     Was heißt hier dein Part? Die Hauptperson ist Hiob. Fragen wir doch was er dazu meint, irgendwie. (wieder in normalem Ton) Hiob? Na, wo isser denn?

LUCIE:.          Verdammt, jetzt hast du ihn verjagt! (sie eilt von der Bühne).

GABRIEL:     Lass ihn gefälligst in Ruhe! (eilt ihr hinterher)