Microstory Nr. 2: Der Fremde

Niemand von uns wusste, woher der Fremde gekommen war. Ich kehrte gerade den Bürgersteig vor meiner Friseurstube, als er – von neugierigen Blicken verfolgt in einem umgebauten 54ger Chevy-Pickup vorbeifuhr und vor Harpers Kneipe haltmachte.Lucille zog ihre Augenbrauen nach und staffierte ihr Dekollete neu aus. Der Fremde ging hinein und verlangte einen Fizz Original. Als Joe ihm sagte, sowas kenne er nicht und Harper ihm darüberhinaus unmißverständlich klarmachte, was wir hier in Smallhirn County von Fremden hielten, die einfach reinspazierten und Fizz Originals verlangten, da guckte der Fremde uns aus schrägen Augen an. Dann verpaßte er Harper einen Kinnhaken, dass dieser hinter seinen Biergläsern verschwand und landete bei Joe einen Tritt, dass der sich auf den Boden setzte und kotzte. Der Sherriff, schmerbäuchig, keuchend angerannt, fing sich mehrere Stuhlbeine auf dem Glatzkopf ein und übt seitdem „blitzartiges Wegducken“ vor dem Badezimmerspiegel.
Ich büsste meinen oberen Schneidezahn ein (die Imitation von Doc Burnstein ist wirklich erstklassig) und die frechen Brodnick-Brothers klagen heute immer noch über Impotenz.Der Fremde entstieg den dampfenden Trümmern wie ein Schwimmer, der aus einem Pool aussteigt, enterte seinen Chevvy und startete den Motor. Die freche Lucille trat laszivhüftig an ihn heran und holte sich eine rote Backe ab. Der Fremde düste mit Karacho aus der Stadt und ließ eine Staubwolke hinter sich, die noch die Abendsonne verdunkelte. Dem hatten wir es ordentlich gezeigt, und seinen Fizz Original kann er sich in die Haare schmiern!

Jahresrückblick

Jahresrückblick. Jahresrückblick 2017. Immer diese Jahresrückblicke, damit die Sendeanstalten die ganzen verstaubten Archivaufnahmen rauskramen und nochmals verwerten können. Abgehalfterte Comedians können ihre alten Witze recyclen und Nachrichtenredaktionen sich ihren Content für die nächste Ausgabe aufheben. Aber was soll schon passiert sein? Irgendwelche Prominenten sterben immer. Es sterben auch eine Menge Nicht-Prominenter, aber über die zu berichten würde den Rahmen sprengen. Karl Ramseyer ist tot.

Irgendwo schwappt auch immer mal das Meer unbotmäßig über die Ufer, irgendein Berg kracht garantiert zusammen und Erdbeben haben ohnehin einen Dauervertrag mit den Medien. Und natürlich Kriege – die finden auch verlässlich immer irgendwo statt. Nicht zu vergessen, die vielen Skandale und Skandälchen, Hochzeiten, Adelsgeburten, all der Klatsch und Tratsch ohne den unsere Regenbogenpresse gezwungen wäre, über Relevantes zu berichten. „Jahresrückblick“ weiterlesen

Sharas Märchenwelt

Shara Whitfield hat einen Märchenband herausgegeben, weil sie sich eine Sammlung mit Märchen gewünscht hat, wie sie ihr immer von ihrem Großvater erzählt wurden. Daher sind viele Grimms Märchen drin, aber auch einige völlig Unbekannte aus aller Herren (und Damen) Länder.  Die liest man nicht überall, daher lohnt es sich schon deshalb, sich diese ungewöhnliche Sammlung zuzulegen. Der wichtigste Grund ist aber: es sind vier Märchen aus meiner Feder drin. Und die wurden tatsächlich bisher noch nie irgendwo veröffentlicht worden. Eines meiner Frühwerke zB. „Die Freggel und der Zauberer“, in dem ich ein wenig Terry Prattchetmässig einen Zauberer beschreibe, der ziemlich fies ist und Beamte und Vertreter nicht leiden kann. Sehr witzig, das Ganze. Aber auch ein eher düsteres und sarkastisches Märchen über einen unsterblichen Hofnarren. Sozusagen „Bruder Lustig für Gothic Fans“.  „Sharas Märchenwelt“ weiterlesen

Die Diktatur der Frühaufsteher

Patakaustik „Schwarze Serie“ (Was ist die schwarze Serie?)

Gleich vorneweg: Frühaufsteher sind die Pest. Aber bevor ich nach Leibeskräften auf diese Spezies eindreschen werde, zunächst eine Definition: wer ist ein Frühaufsteher?

Ein Frühaufsteher (oder das weibliche Pendant, die FrühaufsteherIn) ist ein Mensch, der es liebt, morgens vor acht Uhr aus den Federn zu springen, aus welchen Gründen auch immer. Meistens tun sie es, um irgendwie die Welt zu erobern, doch dazu später. Wer bis um 8 Uhr schläft ist schon kein Frühaufsteher mehr. Und damit meine ich keineswegs die bedauernswerten Zeitgenossen, welche vor 8 Uhr aufstehen müssen, weil berufliche oder andere Umstände sie dazu zwingen, nein hier ist die Rede von jenen, die das gerne tun, die gar nicht anders können, weil ihre Natur es verlangt.

Das allseits bekannte Gegenstück dazu, ist der Langschläfer. Doch schon in diesem Terminus zeigt sich die Perfidie des Systems. Als würde der Frühaufsteher weniger schlafen, als würde der Nachtmensch länger in den Federn schnarchen. Dabei ist oft das Gegenteil der Fall: ein sogenannter Langschläfer hat häufig weniger Schlaf, als der zwanghafte Frühaufsteher, der ja meist beizeiten zu Bett geht. Es sollte also nicht Langschläfer heissen, sondern bestenfalls Spätaufsteher. Noch treffender wäre die Unterteilung in „Nachteulen“ und „Morgenhühner“. Denn die einen leben nach der Devise „Carpe noctem“ oder versöhnlicher, denn Nachteulen müssen sich stets verstellen „Carpe diem et ama noctem (Nutze den Tag und liebe die Nacht)“, während die Morgenhühner grimmig den Tag verwenden, um ihre Vormachtstellung auszubauen. „Die Diktatur der Frühaufsteher“ weiterlesen