Microstory Nr. 9: Der Tacho

Mitten auf der Autobahn stieg er plötzlich wie ein  Idiot in die Eisen, scherte aus und fuhr auf den Seitenstreifen.

„Was’n los? Spinnst du?“

„Warte doch’n Moment!“

Er stierte auf den Tacho.  Die letzten Meter  rollte  er aus und bremste dann sanft.

„Hurra! Ich habs mal wieder!“

„Was denn, verdammt?“

„Schau mal auf’n Tacho.“

Sie  schaute drauf.  „Wieso das denn?  Ach  so:  2017  komma neun. Okay, ganz witzig. Könn‘ wir jetz weiterfahrn?“

„Nein, nein, nein. Du verstehst nicht, kannst du ja auch gar nicht wissen! Ich hab da so ein Ritual…“

„Oh Gott ‑ er hat ein Ritual!“

„Ja  genau.  Weißt du,  ich bin ja nich besonders  abergläubisch,  aber jedesmal,  wenn der Tacho genau die  Jahreszahl und  den  Monat anzeigt,  der gerade  läuft,  dann  muß  ich einfach aussteigen und Gott dafür danken,  daß er mir dieses Jahr geschenkt hat. Und dann schenkt er mir nämlich noch ein Jahr. Kapiert? Ein Jahr ohne Sorge! Klappt immer!“

Er  stieg aus dem Wagen aus und sprang wie ein Irrer  auf dem  Seitenstreifen  herum.   Vollführte  allerlei  seltsame Verrenkungen und so’n Zeugs.  Bis ihn ein Lastwagen  erfasste und  gegen  die Leitplanke  schleuderte.  Während  sein  Blut eimerweise  über  die  Fahrbahn  rann,   öffnete  sie   die Beifahrertür, kotzte auf die Straße und murmelte: „Oh Gott.  Ich danke dir,  daß du mir ein weiteres Jahr  mit diesem Affen erspart hast.“