Microstory Nr. 11: Die Trottel von der Zeitpolizei

Es war nachts um drei, als dieser Mensch plötzlich vor mir auf der Zeil auftauchte. Ich bekam wirklich einen gewaltigen Schreck.

„Verzeihen Sie,“ sagte er milde. „Nicht erschrecken. Ich komme aus der Zukunft!“

Ich nickte nur verkrampft.

„Ich bin hier, um sie von dem Diktator zu befreien. Von Sigurd Köhler, diesem schrecklichen Tyrannen und Unterdrücker, was sagen Sie dazu?“

Ich muß ihn wohl eine Weile sprachlos angesehen haben, denn er strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Indes – ich kannte keinen Sigurd Köhler. Und einen Diktator, der einen unterdrückt, sollte man ja zumindest kennen, oder?

„Ich kenne keinen Sigurd Köhler,“ erklärte ich. „Und einen Diktator, der einen unterdrückt, sollte man doch zumindest kennen, oder?“

Er starrte mich an. „Oh.“

Dann stammelte er. „Da war wohl schon einer vor mir da.“ Und verschwand wieder wie ein Spuk.

Microstory Nr. 3: Die Stulle

Manni stand auf dem Schulhof und packte seine Stulle aus. Mehr als’n hartes Stück Brot und ’ne Banane war nicht
dringewesen heut früh. Alex dagegen, der Pinkel, kaute genußvoll an seinem Luxus-Snack.
„Was hassen aufer Stulle?“ fragten die andern den Snobby. Der schnippte lässig mit den manikürten Greifern, machte
ganz einen auf obercool und meinte kauend: „Schokolade.“
Hey, whow!, ahten und ohten die andern. „Alex hat Schoko aufem Brot!“ Manni wurde ganz schlecht.
Dann sagte er so laut, dass alle andern es hören konnten:“Schoko is verdammt schlecht für die Zähne. Erst musste
dauernd zum Dokter, dann zieht er dir die Klunkern alle raus und am Schluß haste Dritte, wie der Direx.“
Alex war beleidigt. Schon sahen ihn die Andern mit skeptischen Blicken an.
„Schoko muß man sich erstmal leisten können“, sagte er dann mit nasalem Klang in der Stimme. Manni dacht einen Moment nach. „Klar is Schoko teuer“, gab er zu. „Aber das hier“, er hielt seinen Kanten Brot in die Höhe, „is ’ne Spezialanfertigung vom Dokter Lachmann, ihr wißt schon, der wo in der ‚Schau-zu‘ die Gesundheitstipps schreibt, und das ist nach so einem uralten, überlieferten Verfahren hergestellt worden, daß der Kanten auf gute zwanzig Märker kommt. Absolut bestens für die Zähne, voll mit Vitaminen und damit auch alles stimmt, hab ich noch die Ultra-Banane vom Direktimporter dazu. Besser kann ma gar nich essen, könnt ihr mir glauben.“
Die anderen glotzen, und staunten Mannis Kanten an und Alex war abgesagt. Mit grüner Fresse zockelte er von dannen.

co. R.Wissdorf

Microstory Nr. 2: Der Fremde

Niemand von uns wusste, woher der Fremde gekommen war. Ich kehrte gerade den Bürgersteig vor meiner Friseurstube, als er – von neugierigen Blicken verfolgt in einem umgebauten 54ger Chevy-Pickup vorbeifuhr und vor Harpers Kneipe haltmachte.Lucille zog ihre Augenbrauen nach und staffierte ihr Dekollete neu aus. Der Fremde ging hinein und verlangte einen Fizz Original. Als Joe ihm sagte, sowas kenne er nicht und Harper ihm darüberhinaus unmißverständlich klarmachte, was wir hier in Smallhirn County von Fremden hielten, die einfach reinspazierten und Fizz Originals verlangten, da guckte der Fremde uns aus schrägen Augen an. Dann verpaßte er Harper einen Kinnhaken, dass dieser hinter seinen Biergläsern verschwand und landete bei Joe einen Tritt, dass der sich auf den Boden setzte und kotzte. Der Sherriff, schmerbäuchig, keuchend angerannt, fing sich mehrere Stuhlbeine auf dem Glatzkopf ein und übt seitdem „blitzartiges Wegducken“ vor dem Badezimmerspiegel.
Ich büsste meinen oberen Schneidezahn ein (die Imitation von Doc Burnstein ist wirklich erstklassig) und die frechen Brodnick-Brothers klagen heute immer noch über Impotenz.Der Fremde entstieg den dampfenden Trümmern wie ein Schwimmer, der aus einem Pool aussteigt, enterte seinen Chevvy und startete den Motor. Die freche Lucille trat laszivhüftig an ihn heran und holte sich eine rote Backe ab. Der Fremde düste mit Karacho aus der Stadt und ließ eine Staubwolke hinter sich, die noch die Abendsonne verdunkelte. Dem hatten wir es ordentlich gezeigt, und seinen Fizz Original kann er sich in die Haare schmiern!