Über Schriftstellerei

Über kaum einen Berufsstand wird so viel gemunkelt, wie über den des Schriftstellers oder der Schriftstellerin. Und über kaum einen Berufsstand wird mehr Halbwissen verbreitet, wie über den des Schriftstellers/der Schriftstellerin. Wer ist überhaupt eine/r? Ab wann hat man sozusagen „das Recht“, sich vollmundig als solche/solcher zu bezeichnen?

Das ist einfach. Wer (fast) täglich fiktional schreibt, der ist Schriftsteller*in. Wer nicht fiktional schreibt ist  Autor*in. Und wer nur ab und zu mal was schreibt, ist ein*e Hobbyschriftsteller*in. Und jetzt höre ich der Lesbarkeit wegen auf, zu gendern. Ich denke, jedem ist jetzt klar, dass es sowohl weibliche, wie männliche Schriftsteller*innen gibt.

Eine mir bekannte Lektorin sagte einmal: der Schriftsteller beginnt mit dem zweiten Buch. Ein Buch schafft fast jeder irgendwie, egal wie gut, oder wie schlecht es sein mag. Aber für ein zweites Buch reicht es nur, wenn man Profi ist. Man mag auch einwenden, dass sich nur derjenige als Schriftsteller bezeichnen darf, der auch veröffentlicht. Und zwar in regulären Verlagen – nicht im Self Publishing. Das ist Quatsch. Auch Self Publisher sind Schriftsteller. Da können sehr gute darunter sein und sehr schlechte. Und sogar sehr schlechte finden manchmal ein grosses Publikum, denn Geschmack ist bekanntlich nicht diskutabel. Wenn wir den Volksmund danach befragen, welche Schriftsteller tatsächlich gelesen werden, dann sind das Hohlbein, Konsalik und Pilcher. Nicht Walser, Grass und Böll. Wer von diesen nun tatsächlich gut ist, das soll jeder für sich entscheiden.

Mythen über Schriftsteller

Mythos Nummer Eins: Schriftsteller sind reich. Sekunde, ich muss mal in den Keller heulen gehen. Heul. So, bin wieder da. Nein. Sie sind nicht reich. Klar gibt es ein paar illustre Namen mit ein wenig Glamour wie Stephen King, Dan Brown, Joanne K. Rowling, aber die sind eine ebenso große Ausnahme wie Robbie Williams in der Musik, Tom Cruise in der Filmbranche und Stephen Spielberg im Regiesessel. Die meisten Schriftsteller kennt man gar nicht. Obwohl man ihre Bücher liest, ihre Drehbücher am TV verfolgt oder ihre Kolumnen im Spiegel Online. Ihr kennt sie nicht. Und sie haben verdammt große Probleme, davon zu leben. Es gibt in Deutschland vielleicht 150 Schriftsteller, die tatsächlich von ihrer Arbeit gut leben können. Andreas Eschbach zum Beispiel. Aber wenn man ihn fragt, ob er mehr verdient als sein Sparkassendirektor seiner Filiale im Schwäbischen, wird er das sicher verneinen. Behaupte ich jetzt mal.

Mythos Nummer Zwei: Schriftsteller sind berühmt. Echt jetzt? Wann habt ihr zum letztenmal einen Schriftsteller in einer Talkshow gesehen? Oder wann wurde über einen Schriftsteller in einer Klatschspalte berichtet? Himmel, wir kommen ja nichtmal ins Dschungelcamp! Nein, Schriftsteller sind nicht berühmt. Ja, ein paar vielleicht, wie Jack London. Obwohl den inzwischen auch kaum mehr einer kennt. Ok, sagen wir Hemingway. Nein, wenn man berühmt werden will, sollte man Rockmusiker werden und früh sterben.

Mythos Nummer Drei: Schriftsteller sein ist total cool. Dazu schreibt Andreas Eschbach auf seiner Webseite: „Die Wahrheit ist: Schriftsteller führen in erster Linie ein einsames Leben. Man verbringt den größten Teil seiner Zeit allein in einem stillen Zimmer und schreibt. Und wenn man mit anderen zusammen ist, kann es sein, dass das, was man geschrieben hat, so in einem weiterarbeitet, dass man auch nicht so richtig da ist und seltsame Blicke abbekommt.“ Das kann ich nur bestätigen. Ich renne den ganzen Tag mit einer bestimmten Idee im Kopf herum und werde als mürrisch bezeichnet, weil ich oft geistesabwesend wirke. Mein Alltag um mich herum spult sich ab, wie der Alltag einer alleinerziehenden Mutter: Hausarbeit, schreiben, noch mehr Hausarbeit, schreiben, wieder Hausarbeit…. usw. Denn SchriftstellerInnen können sich selten eine Hausfee leisten (Stichwort: Reichtum) und wenn sie verheiratet sind, dann meist mit berufstätigen Frauen oder Männern, denn irgendwoher muss die Kohle ja kommen. Meine Freizeit verbringe ich übrigens entweder in Online Games oder ich schaue TV Serien. Ich bin bekennender Serien Junkie. Bücher bzw. Romane lese ich praktisch keine mehr, denn entweder sind sie besser als meine, dann ärgere ich mich, oder sie sind schlechter, dann ärgere ich mich noch mehr.

Warum also wird man Schriftsteller? Das hängt teilweise mit Mythos Nummer Vier zusammen: Schriftsteller sind klug. Sie wissen viel. Und darüber müssen sie dann halt schreiben. Das trifft sogar in gewisser Weise zu. Denn SchriftstellerInnen, egal, ob sie Abitur oder kein Abitur haben, ob studiert oder Autodidakt, häufen im Zuge ihrer Tätigkeit Unmengen von Wissen an. Wie nützlich dieses Wissen ist, sei dahingestellt. Aber man kann getrost davon ausgehen, dass ein SciFi Autor ein gerüttelt Maß an Wissen über Quantenphysik und Kosmologie vorweisen kann, jedenfalls deutlich mehr als der durchschnittliche Sparkassendirektor. Und ein Autor, der durch die Genres wandert, so wie ich, der weiß auch eine Menge über Geschichte, Politik, Geisteswissenschaften und Technik. Ein Schriftsteller wie Frank Schätzing weiß dermaßen viel über Biotechnologie und Weltpolitik, dass einem Professor schwindelig würde. Das ist einfach so. Ja, Schriftsteller sind gebildet, denn die Schriftstellerei ist per se ein Bildungsberuf. Und sprachliche Fähigkeiten sind Denkfähigkeiten (das versuche ich in Patakaustik ja immer wieder zu beweisen). Schriftsteller sind definitiv kluge Leute, aber sie sind auch eitle kluge Leute. Sie wollen, dass die ganze Welt begreift, wie verdammt klug sie sind. Deshalb schreiben sie. Unter anderem. Die geistreichsten Posts auf Facebook stammen in der Regel von Schriftstellern.

Warum ich schreibe? Ich bin natürlich genauso eitel, wie meine Kollegen. Das braucht man gar nicht erst diskutieren. Aber die gleiche Frage könnte sich ein Schreiner stellen: warum schreinere ich? Weil er es eben tut. Er könnte sicher auch was anderes tun, aber er schreinert eben. Und wir Schriftsteller schriftstellern. Weil es einfacher ist, es zu tun, als es zu lassen.