Erstveröffentlichung 02.04.2014
Ich habe lange überlegt, ob ich dieses leidige Thema anschneiden soll, aber es hilft ja nichts. Als Sprachtaliban muss diese Frage gestellt werden: Ist das ch ein Übel oder eine Notwendigkeit? Und warum können es so viele Menschen in Deutschland nicht aussprechen? Dazu gehören übrigens nicht nur Deutsche, sondern grundsätzlich auch viele Türken oder Araber. Dabei kennen Araber zumindest den krachenden chch-Laut, wie in „Arachnophobie“. Soll er aber „Kirche“ sagen, kommt „Kirsche“ dabei heraus.
Ich muss mich dabei an die eigene Nase fassen, denn ich selbst sage oft „schinesisch“ anstatt „chinesisch“. Woran das liegt? Es ist eindeutig Bequemlichkeit. Womit ich beim Kern des Übels bin. Denn wenn sich dialektsprechende Mitmenschen Mühe geben, sind sie durchaus imstande, ein allerliebstes ch aus ihrem Mündelein zu zaubern. Was streng dialektistisch erzogenen Menschen aber in der Tat extrem schwerfällt.
Schauen wir uns erstmal Dialekte an, die das ch fürchten, wie der Teufel das Weihwasser. Da wären zunächst die Sachsen. Dort sind es vor allem Endlaute, die verschlabbert werden. Lässt man einem Sachsen freien Lauf vernuschelt er einfach jeden Satz, und je später der Abend, desto konsequenter. Dann wären da die Hessen: sie sind absolut ausserstande, ein sauberes CH abzusondern. Selbst wenn sie sisch Mühe geben und ansonsten ein blütenreines Hochdeutsch hervorbringen, so erkennt man ihre Herkunft mühelos am lässischen bzw. hessischen sch. Aber auch in allen übrigen Bundesländern grassiert das faule sch. Sogar in fast allen einschlägigen deutschsprachigen Popsongs und Schlagern. Es ist nahezu Mode geworden.
Da muss man sich als Sprachtheoretiker allerdings in der Tat fragen, warum es dieses explizite ch in unserer Sprache überhaupt gibt, wenn es doch die meisten ignorieren? Ja, ist es gar am Ende gar nicht deutsch? Wie wertvoll das ch aber tatsächlich ist, merken wir spätestens dann, wenn wir uns vorstellen, ein Nachrichtensprecher würde jedes ch als sch aussprechen, oder noch besser: beliebte Filme oder TV Serien würden auf ähnliche Art gesprochen. Hier wird dann sehr schnell deutlich, wie weit die Lücke zwischen Umgangsprache und Mediensprache auseinanderklafft.
Interviewt man Jugendliche auf der Strasse, so merkt man schnell, dass ihnen die Befähigung fehlt, sich artgerecht zu artikulieren. Sie sind selten imstande, ein klares ch zu sprechen.
Interessanterweise hängt die Verwendung des ch oder sch oftmals mit dem jeweiligen Bildungsstand zusammen. Ein höherer Bildungsstand impliziert meist die Bereitschaft, zu lesen, und sich demzufolge auch mit Sprache zu beschäftigen. Eine klare Unterscheidung zwischen den beiden Lauten wird dann immer müheloser. Ist das sch also das Erkennungsmerkmal der Dummheit? Dies möchte ich nicht bejahen, nicht zuletzt meiner Affinität zum „schinesisch“ wegen, die mich dann ja nun auch entlarven würde. Es ist vielmehr ein Laissez-Faire ein unangemessener Liberalismus, mangelnde Sprachdisziplin oder schlicht gesagt: pure Faulheit.
Mundart ist fast immer bequem, und tendiert zur Versimplifizierung und einer gewissen Primitivität. Das hat seinen Grund. Mundart dient nicht der Sprachkunst, sondern rein der einfachsten Verständigung. Erst in der Elaboriertheit von Sprache, die nunmal eben auch mit einer gewissen Mühe verbunden ist, kommt Brillianz zum Tragen. Man stelle sich eine wissenschaftliche Dissertation in Mundart vor. „Die String Theorie auf schwäbisch“. Entsetzlich. Lachen könnten darüber sicher nur die Schwaben, alle anderen Sprachgenossen wänden sich vor Ekel ab. Und Goethes Faust auf Sächsisch? Dann lieber die Atombombe.
Aber fragen wir doch mal unseren sachkundigen Sprachfaschisten Professor Doktor Tibor Flaussig mal, was er von der Vernuschelung der deutschen Sprache hält:
Flaussig (Sächsisch): Vernuschelung? Vernuschelung? Der Faust nicht auf säch’sch? Wieso soll das nüsch göhn? Do stäh isch nu isch armor Toar und bin so kluch als wie zuvoar? Herr Wissdorf, Sie sind der Dalibohn hier in der Ründe. Isch gonn Ihnen do nur eines sochen: Sproche dient eenzsch und allein nur der Verständigong. Und sie sollten eens nisch vergessen, ne wahr, der Hitler, der hot hochdeutsch gsabbelt. Verbibbsch nochemal.
Autor: Rael Wissdorf, Copyright (02.04.2014), alle Rechte vorbehalten.