Warum ich „Game of Thrones“ nie sehen konnte – Ein Plädoyer für Figurenbindung in der Fantasy

In einer Welt, in der Fantasy oft mit Blut, Verrat und dystopischem Weltenbau gleichgesetzt wird, ist es fast ein literarischer Tabubruch zu sagen: Ich habe Game of Thrones nie gesehen. Nicht aus Zeitmangel, nicht aus Ablehnung des Genres – sondern weil ich es nicht ertragen konnte. Schon in den ersten Episoden schreckten mich Dinge ab, die mir als Autor, Lektor und Liebhaber epischer Geschichten zutiefst widerstreben: der Verlust liebenswerter Figuren, die Zurschaustellung von Grausamkeit, die Abwesenheit von emotionalem Ankerpunkt. Dieser Beitrag ist kein Verriss. Er ist ein Plädoyer – für Geschichten, in denen wir bleiben wollen, weil wir die Figuren lieben, nicht bloß bewundern oder erdulden.

Figurenbindung als literarisches Prinzip

Literarische Bindung entsteht nicht durch Plotpunkte, sondern durch Nähe. Nähe zur inneren Welt der Figuren, zu ihren Zweifeln, Schwächen, Hoffnungen. Tolkien hat das meisterhaft verstanden. In Der Herr der Ringe ist Frodo nicht der mächtigste, klügste oder kämpferischste Held. Aber er ist derjenige, dem wir folgen wollen – weil er aufrichtig ist, verletzlich, mitfühlend. Selbst Sam, der oft als ‚Sidekick‘ bezeichnet wird, wird für viele zum wahren Helden, weil er nicht aufhört zu hoffen – und zu lieben. Es ist diese emotionale Intimität, die uns durch Mordor führt, nicht das Schicksal der Welt.

Game of Thrones – Der Bruch mit dem Wunsch nach Nähe

Als ich die ersten Folgen von Game of Thrones sah, war es nicht der Gewaltgrad, der mich abstieß – sondern die Kälte. Figuren wie Eddard Stark, die zu einem moralischen Zentrum hätten werden können, wurden geopfert, bevor eine echte Bindung entstehen konnte. Andere Figuren waren entweder zu kalkuliert, zu grausam oder zu zynisch, als dass ich mit ihnen hätte fühlen können. Selbst Tiere – in diesem Fall die Schattenwölfe – wurden getötet, bevor sie überhaupt eine mythische oder emotionale Rolle entfalten konnten. Das alles erzeugt sicherlich Spannung. Aber keine Verbundenheit. Und ohne diese ist mir jede Welt – so detailliert sie auch gebaut sein mag – fremd.

Die Stärke der Hoffnung – Was ich stattdessen suche

Ein Beispiel dafür ist die Serie The Rookie. Zwar kein Fantasy, aber strukturell doch eine moderne Heldenreise: John Nolan ist verletzlich, integer und lernbereit. Um ihn herum entfalten sich Figuren, die man nicht nur versteht, sondern begleiten möchte. Die Serie bietet Konflikte – aber nie auf Kosten unserer Identifikation. Ein anderes Beispiel ist Katja Brandis‘ Die Ewigen von Calliste. Auch hier gibt es Gefahr, Zwiespalt und Geheimnisse – doch durch die Hauptfigur Ila bleibt eine innere Wärme erhalten, die uns durch die fremde Welt trägt.

Yanthalbor & Das Vermächtnis des Drachenlords – Persönliche Gegenentwürfe

In meinen eigenen Romanen – etwa Yanthalbor oder Das Vermächtnis des Drachenlords – ist Figurenbindung kein Nebeneffekt, sondern Zielstruktur. Auch hier gibt es Opfer, innere Kämpfe, Verrat. Doch ich glaube daran, dass Leser:innen einem Held oder einer Heldin dann am tiefsten folgen, wenn sie *nicht* allwissend sind, sondern zweifeln dürfen. Wenn sie geliebt werden können – nicht trotz, sondern wegen ihrer Schwächen.

Fazit: Fantasy darf uns Hoffnung geben

*Game of Thrones* hat das Fantasygenre verändert – und viele fasziniert. Für mich aber bleibt es ein Beispiel dafür, was passiert, wenn Figuren nicht als emotionale Brücke, sondern als Schachfiguren behandelt werden. Ich brauche das andere. Ich brauche Geschichten, in denen ich weinen kann, wenn jemand fällt – nicht, weil es überraschend ist, sondern weil es *wehtut*. Und weil ich ihn oder sie vermissen werde.

Fantasy darf dunkel sein. Aber sie darf nie aufhören, uns Licht zu zeigen. Und dieses Licht sind die Figuren, an deren Seite wir die Reise antreten.

Rael Wissdorf Mai/25

Katja Brandis: Die Ewigen von Calliste

Buchrezension von Rael Wissdorf

Wenn eine Bestsellerautorin wie Katja Brandis aka Sylvia Englert aka Siri Lindberg einen neuen Fantasyroman vorlegt, liegen die Erwartungen hoch. Eine treue Leserschaft scharrt mit den Hufen, und ein mächtiger Plot nimmt Fahrt auf. Und dann – wie soll es auch anders sein – gelingt es Brandis erneut, dem Genre neues Leben einzuhauchen, mit Traditionen zu brechen und neue zu schaffen. So ist ihr neues Epos im Präsens gehalten – das verleiht der breit angelegten Geschichte Tempo und Unmittelbarkeit. Doch bevor wir ins Detail gehen: Worum geht es eigentlich?

Die größte Stärke des Romans ist die fabelhafte und ungewöhnliche Grundidee: Versteinerte Wesen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, stehen als lebensechte Statuen aus weißem Marmor über die Insel Calliste verstreut. Alle 17 Jahre erwachen sie für kurze Zeit zum Leben und werden zur Touristenattraktion der kleinen Insel, die seit Jahrhunderten von den „Ewigen“ lebt. Die Heldin Ila wurde an einem solchen Tag geboren und fühlt sich den Wesen, insbesondere einem Vogelmenschen, der sie beschützte, besonders verbunden.

Doch nicht alle der Ewigen sind freundlich – manche sind gefährlich, andere gar bösartig. Doch alle verbindet ein tragisches Schicksal. Was ist damals, vor 300 Jahren, geschehen, dass diese illustre Gesellschaft – von der Meeresechse über einen römischen Riesen bis zu einer bezaubernden und cleveren Meerjungfrau – zu Stein wurde? Und warum dürfen sie seither nur alle 17 Jahre kurz ins Leben zurückkehren?

Diese Fragen sind der Auftakt zu einem Netz aus Geheimnissen: Was trieb Ilas Mutter damals hochschwanger durch das Dickicht der Insel? Warum ist der junge Held Rheo ein so begnadeter Schwimmer? Wer steckt hinter dem Fluch, der auf Ilas Familie lastet? Schritt für Schritt spinnt Brandis ihre Handlungsnetze aus, findet aber mit traumwandlerischer Sicherheit ihren Weg durch die verwobenen Nebenplots – stets durchdacht, mit überraschenden Wendungen.

Eine weitere Stärke des Romans ist die Sprache. Souverän verbindet Brandis poetische Beschreibungen mit jugendlicher Leichtigkeit. Gelegentlich blitzen Elemente der Jugendsprache auf, jedoch nie in einem Maß, das anbiedernd wirkt. Das macht die Geschichte leicht und flüssig lesbar, ohne an Tiefe zu verlieren. Die Insel selbst ist weiterer Hauptdarsteller. Mit viel Liebe zum Detail beschreibt Brandis ihr magisches Eiland, so dass man dort am liebsten sofort Urlaub machen möchte.

Die wechselnden Perspektiven – von Ila zu Rheo und weiteren Figuren – sorgen für Abwechslung und ein umfassendes Bild des Geschehens. Diese Technik hilft, den umfangreichen Stoff dynamisch und kurzweilig zu präsentieren.


Nicht zuletzt beeindruckt das phänomenale Worldbuilding. Jeder Fantasyroman aus deutscher Feder muss sich an Größen wie Tolkien, Marion Zimmer Bradley oder Andrzej Sapkowski messen lassen. Doch Brandis gelingt es, sich diesen Vergleichen souverän zu stellen. Mit einem Mix aus Urban Fantasy, einem Hauch Steam- oder Dieselpunk sowie einer bemerkenswerten und eigenständigen Magieform erschafft sie eine Welt, die vertraut wirkt und doch voller neuer Ideen steckt. Wie sich diese Welt mit ihren anderen Romanen – etwa Khyona – verbindet, erläutert Brandis übrigens selbst im Anhang.

Fazit: *Die Ewigen von Calliste* ist ein neues deutschsprachiges Fantasywunder, das Jugendliche ebenso wie erwachsene Genrefans begeistert. Eine spannende und bewegende Geschichte mit sympathischen Figuren, die Brandis gewohnt souverän und mit einem hohen Maß an literarischer Qualität erzählt. Fantasy als oft unterschätztes Genre in Deutschland braucht solche Autorinnen.

Das Vermächtnis des Drachenlords

Fantasy Roman – Prequel der Höhlenwelt Saga

Fünfundzwanzig Jahre vor der Zeitrechnung der Höhlenweltsaga erscheint ein Fremder in Munuels Heimatdorf Angadoor. Wie es sich herausstellt, handelt es sich um keinen Geringeren als den ehemaligen Meister einer alten, längst verbotenen Magie. Er hält ein Abenteuer für den jungen Magier bereit, das ihn auf die Wolkeninseln führen würde, doch dieser hat andere Pläne.

„Das Vermächtnis des Drachenlords“ ist ein Prequel zur achtbändigen Höhlenwelt-Saga des verstorbenen Autors Harald Evers, verfasst von mir im Auftrag des Trivocum Verlags.

Dabei handelt es sich um ein turbulentes und farbenprächtiges Fantasy-Abenteuer, gewürzt mit dem Aufeinanderprallen zweier Kulturen. Denn in Ranasuristan, den Wolkeninseln, haben die Frauen das Sagen. Welche von beiden Welten die “bessere” ist, wird Munuel erst erfahren, wenn er sich auf diese fremde Kultur einlässt. Um es mit den Worten der Ranásura zu sagen: “Empeirienza kaína gliss”. Erfahrung macht klug.

Ich hatte natürlich einen ziemlich schweren Job, “ so Wissdorf, „denn ich fühlte mich ein wenig wie L. Sprague-DeCamp, als er die Romane um Conan den Barbaren von Ron Howard fortsetzen sollte. Auf der einen Seite will man das Vermächtnis wahren, auf der anderen Seite möchte man aber auch seiner eigenen Kreativität freien Lauf lassen, und der ganzen Saga seinen eigenen Stempel aufdrücken. Und das, ohne die Fangemeinde zu verärgern. Ich hoffe, mir ist dieser Spagat gelungen.“


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