Kausalität, Korrelation, Koinzidenz

Bei weiter fortschreitender Demenz der Volksmassen, schälen sich immer mehr zwei Lager heraus, die sich unversöhnlich gegenüberstehen: Esoteriker und Anhänger der Naturwissenschaften. Dabei behaupten beide Seiten, dem Wissen zu dienen. Die Esoteriker meinen, sie wüssten schon alles, während Wissenschaftler wissen, dass sie nur manches aber noch längst nicht alles wissen.

Früher gab es einfach nur Mediziner. Die alle mehr oder minder erfolgreich Krankheiten heilten, oder sie hervorriefen, wenn grad nichts zu heilen war. Sie arbeiteten alle mit denselben Methoden: Tränke verabreichen, hoffen, dass die helfen würden, Blut abzapfen, hoffen, dass das helfen möge, Knochen schienen, hoffen, dass sie zusammenwachsen würden. Erst mit der Zeit begannen auch Mediziner, sich wissenschaftlicher Methoden zu bedienen. Mit der Entdeckung des Bakteriums beispielsweise, erschien es vielen Medizinern fortan einleuchtend, sich vor einer Operation die Hände zu waschen. Weil sie den kausalen Zusammenhang zwischen einer Streptokokkeninfektion und einer Herzklappeninsuffizienz erkannten. Heute nennen Esoteriker solche Ärzte „Schulmediziner“ und meinen das Negativ. Während Heilpraktiker lieber mit der alten Methode weiter machen. Sie wissen schon: Globuli verabreichen, hoffen, dass das hilft, Blut abzapfen, hoffen dass es hilft, usw. Solche Zeitgenossen lassen sich durch so Spitzfindigkeiten wie „Kausalität“ nicht aus der Ruhe bringen.

Man versuche nur einmal bei einer spontanen Einkaufsstraßenvolksbefragung die Probanten zu bitten, den Unterschied zwischen den drei Säulen der Erkenntnis zu erklären. Die großen K’s eben: Kausalität, Koinzidenz und Korrelation.

Die Formel ist nun ganz einfach: wer den Unterschied kennt, denkt wissenschaftlich. Wer ihn nicht genau kennt, denkt wahrscheinlich gar nicht. Oder nur so irgendwie …

Kausalität. Ursache – Wirkung. Dürfte jedem klar sein, was das ist. Ich trete gegen Flaussigs Fahrrad. Es kippt um. Warum kippt es um? Weil ich dagegen getreten habe. Und zwar mit genügend „Wucht“, sprich „Energie“, um die Trägheit der Fahrradmasse zu überwinden. Klares Ursache/Wirkungs-Prinzip. Dieser Versuch kann beliebig oft wiederholt werden. Flaussig kann sein Fahrrad immer wieder aufstellen, ich trete dagegen, es fällt um. Das funktioniert bei Tag oder bei Nacht, Montags oder Freitags, bei Regen oder Schn … nein halt, bei Schnee könnte es sein, dass Flaussigs Fahrrad in einer Schneewehe feststeckt und nicht umkippt. Aber auch das wäre dann wieder ein Zusammenhang: Es kippt nicht um, weil es in einer Schneewehe steckt.

Koinzidenz: Gleichzeitig stattfindende Ereignisse, die eine gemeinsame Ursache haben können, aber nicht müssen. Das „aber nicht müssen“ ist wesentlich. Für Esoteriker sind Koinzidenzen bereits Kausalitäten, doch dazu später mehr. Wieder ein Beispiel. Genau in dem Augenblick, in welchem ich gegen Flaussigs Klapprad trete (ok, inzwischen ist es bereits ein wenig verbeult, aber es kippt trotzdem um, wollen wir wetten?), im selben Augenblick also, reißt der Minirock meiner hübschen Nachbarin entzwei und sie steht im Höschen vor mir. So sehr ich mir aber auch wünschen möge, dass dies nun gleich wieder geschieht, wenn ich hastig Flaussigs Fahrrad aufstelle und nochmal mit Schmackes dagegen trete … nein, leider nicht. Meine Nachbarin ist ins Haus gerannt, weil sie nicht gerne im Höschen auf der Straße rumsteht. Das Zerreißen ihres Minirocks muss also auf andere Ursachen zurückzuführen sein, als mein Tritt gegen das Fahrrad. Das nennen wir eine Koinzidenz. Es geschah gleichzeitig, aber es gab keinen kausalen Zusammenhang. Ich würde das jetzt gerne beweisen, in dem ich es wiederhole, aber meine Nachbarin hat leider was dagegen. Ich überrede sie, wieder herauszukommen (sie hat sich inzwischen einen neuen Minirock angezogen). Ich trete gegen das Fahrrad – aber nix. Ihr Mini hält. Womit also klar bewiesen wäre, dass es keinen kausalen Zusammenhang gab. Nur dass meine Nachbarin jetzt irgendwie sauer auf mich ist. Das wiederum, ist durchaus kausal.

Astrologen dagegen sind felsenfest davon überzeugt, dass Menschen, die genau dann geboren wurden, als die Sonne von der Erde aus gesehen im Sternzeichen Stier stand, von Natur aus lahmarschig sind. Ich kenne auch lahmarschige Leute, vor allem denkfaule Esoteriker, die geboren wurden, als die Sonne im Steinbock stand, aber das interessiert einen Astrologen nicht. Selbst wenn ich ihn darüber aufkläre, dass selbst diese Berechnung falsch ist, weil die Sonne gar nicht mehr im Stier stand, als der Mensch geboren wurde, sondern bereits im Krebs, kümmert ihn das auch nicht weiter. Nicht nur, dass aus Koinzidenz Kausalität wurde, selbst die Koinzidenz ist nicht mehr vonnöten, um Astrologen an den Quatsch glauben zu lassen, den sie erzählen.

Kommen wir zum genüsslichsten Abschnitt: der Korrelation. Weil das jetzt wirklich kompliziert wird, zitiere ich zunächst mal aus der Wikipedia, was eine Korrelation ist:

Eine Korrelation (vom mittellateinischen correlatio für „(die) Wechselbeziehung“) beschreibt eine Beziehung zwischen zwei oder mehreren Merkmalen, Ereignissen, Zuständen oder Funktionen. Zwischen Merkmalen, Ereignissen oder Zuständen braucht keine kausale Beziehung zu bestehen: manche Elemente eines Systems beeinflussen sich gegenseitig nicht; oder es besteht eine stochastische (= vom Zufall beeinflusste) Beziehung zwischen ihnen.

Das klingt richtig geil kompliziert, nicht wahr? Deshalb wissen ja auch nur wenige, was Korrelationen sind. Vor allem Statistiker wissen bestens darüber Bescheid und nerven uns in den Medien oft genug damit. Ein Beispiel, welches ebenfalls aus Wikipedia stammt:

Aus der Tatsache, dass in Sommern mit hohem Speiseeisumsatz viele Sonnenbrände auftreten, kann man nicht schlussfolgern, dass Eisessen Sonnenbrand erzeugt.

Zwischen dem Rückgang der Störche im Burgenland und einem Rückgang der Anzahl Neugeborener kann es durchaus eine Korrelation geben, aber weder bringen Störche Kinder noch umgekehrt.

Verstehen Sie so langsam die Denkweise von Esoterikern? Ich hoffe es für Sie, denn falls nicht, sind sie einer.

Flaussig: Wiiiissdorrrf!!

Wissdorf: Öhm, ja, ach Flaussig. Für dich hatte ich heute keinen Beitrag vorgesehen, tut mir leid.

Flaussig: Das ist mir scheißegal! Wie sieht mein verdammtes Fahrrad aus? Das ist ja total verbeult!

Wissdorf: Das äh … war ein wissenschaftliches Experiment, in welchem ich …

Flaussig: Ein Experiment?? Du zertrampelst mein Fahrrad wegen eines Experiments?? Verdammte Sauerei! Ich mach jetzt auch ein Experiment! Hier. Siehst du das?

Wissdorf: Ja, das … äh … das ist … äh … ein BASEBALLSCHLÄGER …

Flaussig: Genau! Und ich mache jetzt ein Experiment damit. Auf deinem KOPF! Wir wollen mal sehen … bleib stehen du Pottsau! Bleibst du wohl hier?? Ich krieg dich! Egal wo! Du kannst dich nicht verstecken!

Autor: Rael Wissdorf, Copyright (02.04.2014), alle Rechte vorbehalten.
Erstveröffentlichung 02.04.2014

Deutsch ist Glückssache – Patakaustik